Gewaltig im Aufwind:

Die Altorientalischen Mövchen auf der Europaschau Leipzig und der VDT-Schau Nürnberg

0-1 khakifahl m weiß Binden, EE Schau Leipzig 12 v97 EUBd , Thiele
0-1 khakifahl m weiß Binden, EE Schau Leipzig 12 v97 EUBd , Thiele

97 Tiere in der Senioren- und 20 in der Jugendklasse auf der Europaschau in Leipzig sind für eine erst so kurz anerkannte Rasse ein respektables Meldeergebnis. Mir als derjenige, der die Anerkennung maßgeblich betrieben hat, wurde das Richteramt übertragen. Es war für mich das erste Mal, dass ich eine größere Anzahl Altorientalischer Mövchen zu bewerten hatte. Wie gewohnt, habe ich mir die gesamte Kollektion erst einmal in Ruhe angeschaut, um eine Richtung festzulegen, nach der ich die Kritiken schreiben wollte. Der Typ mit abfallender Rückenlinie, guter Brustbreite und passender Federkürze in der Hinterpartie stand im Vordergrund. Hier konnten die meisten Altorientalen gut gefallen. Auch Halskrause und Spitzkappe sowie die Zeichnung (Anatolierscheckung mit farbigem Flügelschild und Schwanz) gaben wenig Anlass zu Beanstandungen. Die Anzahl der weißen Schwingen war bis auf eine Hand voll Tiere (und hier meine ich alle 117 ausgestellten Tiere) erstaunlicherweise im Rahmen der Standardvorgaben. Es werden mindestens 5 weiße Handschwingen gefordert. Bei dieser Anzahl ist ein „Spießen“ zwangsläufig. Die Forderung nach mehr „Schildrundung“, wie es die Farbentaubenrichter gewohnt sind, sollte auf der Bewertungskarte höchstens als minimaler Wunsch erscheinen, auch wenn es die „Farbentaubenoptik“ stört. Die meisten Mövchenrassen sind keine Farbentauben!! Farbe hinter den Läufen und etwas „bunte“ Läufe (solange diese nicht komplett farbig sind) entsprechen dem Standard. Das gilt auch für weiße Federn im Keil. Sie sollen toleriert werden. Ein völlig weißer Unterschwanz ist natürlich zu strafen. Leider ist im momentanen Standardtext diesbezüglich keine Aussage getroffen worden.

0,1 braunfahlgeschuppt, hv96, VDT 2012 , Dammers
0,1 braunfahlgeschuppt, hv96, VDT 2012 , Dammers

Der Reigen wurde von 25 Blauen mit weißen Binden eröffnet. Wie bereits gesagt, war ich mit den Typen größtenteils zufrieden. Probleme gibt es aber mit der Schildfarbe, die überwiegend sauberer sein könnte. Auch war ich von den Binden etwas enttäuscht. Sie waren oft sehr zackig mit sehr breitem Saum. Hinzu kommt dann auch meist noch nicht zu übersehender Bindenrost. Mit diesen Makeln waren fast alle Ausgangstiere behaftet. Hier bedarf es noch erheblicher Zuchtarbeit. Es existieren aber schon Tiere, die in diesen Punkten erhebliche Fortschritte zu verzeichnen haben. Die figürlich sehr schöne Alttäubin von J. Schedler mit v 97 SB Europachampion (EC) konnte auch mit farblichen Pluspunkten (schön gezogene Binde) aufwarten. Der einzige mit 95 Punkten bewertete Jungtäuber von H. Eichelbaum zeigte auch, dass es machbar ist. Wünsche in der Brustbreite und der Zehenbefiederung verhinderten eine höhere Note. Zwei prima Alttäuber bekamen 96 Punkte. Sie gehörten zu dem Riesenaufgebot von Ernst-Albert Thiele, der alleine 40 Stück stellte. Sie konnten mit prima Rassemerkmalen brillieren, doch verhinderten Probleme in der Binde oder Zeichnung die Höchstnote. Vier weitere hochwertige Tiere mit sg95 kamen auch aus seinem Schlag. Diese Mannschaft errang den Europameistertitel auf blau mit weißen Binden. Herzlichen Glückwunsch!! Theo Geschwandtner präsentierte in der Jugendgruppe zusammen mit seinem Bruder Hugo 20 teils hochklassige Altorientalen. Von den 4 blauen (Theo) erreichten 2 Weibchen sg95. Rotfahle mit weißen Binden waren in der Seniorenklasse gar nicht zu finden. Hugo Geschwandtner zeigte hier 6 Tiere. Auch diese gefielen mir sehr gut. Kräftige Köpfe und teils deutlich sichtbare Binden waren vorhanden. Sie sollten aber etwas aufgerichteter stehen. Hier haben die meisten Tiere der rotfahlen Farbschläge Probleme (3 x 95 P). Die Blaufahlen mit weißen Binden (Seniorenklasse) sind oft nur schwer von den Blauen zu unterscheiden. Hier in Leipzig war es noch schwieriger, da die unteren Reihen beim doppelreihigen Aufbau sehr schlecht ausgeleuchtet waren. Mit 4 der 5 gezeigten Tiere erreichte Zfr. Thiele den 2. Europameistertitel. Die mit hv96  bewertete, figürlich herausragende, alte Täubin war auch eindeutig blaufahl.

0,1 braunfahlgeschuppt, Leipzig 12 hv96 EEM, Löffler
0,1 braunfahlgeschuppt, Leipzig 12 hv96 EEM, Löffler

Unter die 14 Braunfahlen mit weißen Binden hatte sich eine wunderschöne junge khakifahle Täubin „verirrt“. Sie brillierte mit einer tollen Figur: kurz, breit und abfallend verbunden mit guter Farbe, federreichem Jabot und hoher Spitzkappe. Sie bekam deshalb von mir die Höchstnote mit dem EU-Band + EC zugesprochen. Einen Hauch mehr Schnabelwinkel hätte ich ihr aber dennoch gewünscht. In diesem Punkt habe ich sehr zurückhaltend gewertet. Wenn nahezu kein Schnabelwinkel vorhanden war, habe ich es kommentarlos durchgehen lassen. Bei deutlich sichtbarem Winkel (das war aber noch die absolute Ausnahme!) habe ich es auf der Karte lobend erwähnt. Bei den Braunfahlen mit weißen Binden waren dieselben Angriffspunkte vorhanden, wie bei ihren blauen Vettern. Sehr viele Tiere sollten in der Schildfarbe und der Binde reiner sein. Tiere mit krassen Zeichnungsfehlern, wie stark farbiges Brustgefieder oder größere Farbflecken am Kopf konnten kein sg mehr erhalten. Bei so manchem Tier wären die störenden Federn im Augenbereich leicht zu entfernen gewesen. Auch das Putzen gehört zur Schauvorbereitung! Neben der khakifahlen 0,1 gefiel mir besonders ein junger 1,0 von Stefan Löffler (95 P). Er verfügte über einen super Typ, prima saubere Farbe und guter Kappe. Der Schwanzspiegel sollte besser durchgezeichnet und der Schnabel etwas stumpfer sein.

Bei den Rotfahlgeschuppten (11) ist noch etwas Aufklärungsarbeit nötig. Hier überlagern sich die weiße Schwanzbinde aus der Orientalenfärbung (oriental stencil) und dem Rotfahl. Eine normale rotfahle Haus- oder Brieftaube zeigt nämlich auch eine teilweise weiße Schwanzbinde ohne die Orientalenfaktoren zu besitzen. Die Überlagerung dieser beiden Veränderungen der Schwanzbinde führt zu sehr hellen Schwanzfedern auf denen eine Binde kaum noch zu erkennen ist. Die Federn müssen aber im Bereich der Schwanzbinde einen farbigen Federkiel zeigen. Gänzlich weiße Federn schleichen sich besonders bei den Mittelfedern ein. Das ist aber fehlerhaft. Auch ähnelt die Schuppung mehr einer Säumung. Hierdurch werden die Züchter verführt, sie als rotgesäumt auszustellen. Das ist auch in Leipzig geschehen. Die 4 als gesäumt gemeldeten Tiere waren genetisch sicherlich geschuppte. Ihnen macht, wie bei den Rotfahl-weißbindigen erwähnt, die aufgerichtete Haltung Probleme. Sie tragen den Körper noch zu waagerecht. Auch das sonst schöne Jungweibchen (95 P) von H. Hilgert war hiermit „behaftet“. In dieser Beziehung war der Jungvogel von J. Schedler (95 P), der ganz am Ende der Sammlung stand, richtungsweisend. Die besten Tiere dieses Farbschlages standen in der Jugendgruppe. Hugo Geschwandtner durfte sich hier, errungen auf eine tolle Jungtäubin, über V97 JE und den Titel Europachampion freuen. Ein höherer Preis als JE (Jugendehrenpreis) stand leider für die 20 Tiere in der Jugendgruppe nicht zur Verfügung. Ihr junger männlicher Schlaggefährte erhielt 96 Punkte. Er könnte etwas abfallender stehen.

0,1 rotfahlgeschuppt, Leipzig 12 v97 JE EC H. Geschwandtner
0,1 rotfahlgeschuppt, Leipzig 12 v97 JE EC H. Geschwandtner

Der Paradefarbschlag Blau(weiß)geschuppt brachte die höchste Meldezahl; 39 bei den Erwachsenen und vier in der Jugend. Logischerweise treten dieselben Farbwünsche wie bei den Bindigen auf. Sie werden in der Regel mit einander verpaart, um spalterbige Geschuppte zu erhalten, die einfach ein schöneres Zeichnungsbild erzeugen. Wir wollen auf keinen Fall eine Schuppung, die schon fast als Säumung anzusprechen ist. Dies ist überwiegend bei den kurzschnäbligen Satinetten der Fall, die leider oft in Reinzucht gezogen werden. Bei den Altorientalen fordern wir schon einen gewissen Blauanteil auf dem Flügelschild und eine deutlich sichtbare Pfeilspitzzeichnung. Die unterschiedlichen Farbpartien der Flügeldeckfedern sollen durch einen möglichst schmalen schwarzen Saum voneinander getrennt werden. Dieser war bei den meisten gezeigten Tieren viel zu breit. Kommt auch noch eine pfeffrige Pfeilspitze dazu, dann ergibt sich eine ganz unschöne Schuppung. Wenn es gelungen ist Blaue mit schönen weißen Binden und einen schmalen Bindensaum züchterisch zu festigen, bekommt man auch bei einer Verpaarung mit den Geschuppten das angestrebte wunderschöne Zeichnungsbild. Es ist nicht leicht, aber einige farblich herausragende Tiere zeigten wo der Weg entlanggehen muss. Hier sind besonders drei Jungtäuber mit 95 Punkten zu erwähnen. Der von Zfr. E. Fuchs ließ Wünsche in der Aufrichtung und in der Rückenabdeckung offen; dem von Zfr. C. Reckleben fehlte ein wenig Gesichtsfülle und Brustbreite und dem von Zfr. E.-A. Thiele wünschte ich ein schöneres Zeichnungsbild. Dem sehr schöne Altvogel von Zfr. Eichelbaum fehlte zur Höchstnote etwas Brustbreite. Unter den 15 Weibchen ragten eine sehr typische Täubin mit 97 Punkten Lipsia Band  und EC heraus. Der Aussteller war Zfr. Curt Reckleben, der schon über 90 Jahre alt ist; Respekt!!  2 x 96 Punkte gab es auf je eine junge und alte Täubin von Zfr. Thiele. Diese schönen Weibchen trugen maßgeblich zu seinem 3. Europameistertitel bei. Weitere ansprechende Tiere mit 95 Punkten stellten die Zfr. W. Riedl, E. Krebs, E. Fuchs und J. Schedler. Eine sehr schön gezeichnete junge 0,1 kam in der Jungendklasse aus dem Schlage Geschwandtner.

Der Abschluss meiner Abhandlung machen die 9 Braunfahlgeschuppten, da die 2 gemeldeten Khakifarbenen nicht erschienen waren. Alle spiegelschwänzigen Farbschläge können bedenkenlos mit einander verpaart werden. Das wird auch so praktiziert. Somit treten bei den Braunfahlgeschuppten die gleichen Wünsche, wie bei den bereits beschriebenen Farbschlägen auf. Das für mich herausragende Tier zeigte Zfr. Stefan Löffler. Die junge Täubin erhielt die EE-Medaille und brillierte mit einem tollen Typ. Bei etwas mehr Kopfsubstanz wäre die Höchstnote fällig gewesen; so musste sie sich mit 96 Punkten begnügen. Die beste Sammlung stellte… na wer wohl?   Ernst Albert Thiele. Das war sein 4. Europameistertitel!! Herzlichen Glückwunsch! Je zweimal 95 Punkte erreichten Tiere vom Vorgenannten und J. Schedler.

Das waren meine Eindrücke von der Europaschau in Leipzig. Ich bedanke mich noch einmal für die gute Schaubeteiligung. Freuen wir uns auf die HSS 2013 anlässlich der VDT-Schau, wieder in den wunderschönen Hallen der Leipziger Messe. Ich denke der Aufbau wird dann einreihig sein.

0,1 blau mit weiß Binden, Leipzig 12 sg 95 T Geschwandtner
0,1 blau mit weiß Binden, Leipzig 12 sg 95 T Geschwandtner

VDT Schau Nürnberg

 

Ein Wochenende später waren noch einmal 40 Altorientalen auf der VDT-Schau in Nürnberg gemeldet. 12 Blaue m. w. Binden, drei Blaugeschuppte, 11 Braunfahle m. w. Binden, je vier Stück in braun- und rotfahlgeschuppt und Einzeltiere in rot.-, gelb-, khakifahl m. w. Binden und schwarzgesäumt. In Leipzig fehlten dieser Farbschlag und die Braungesäumten leider gänzlich! Schade war, dass diese beiden Großereignisse terminlich so eng bei einander lagen. Zfr. Stephan Haftendorn bekam hier den Richtauftrag von der Ausstellungsleitung. Er hat die Tiere sehr feinfühlig beurteilt. Da rund die Hälfte der Tiere in Nürnberg von mir ausgestellt war, konnte ich das gut nachvollziehen. Seine Beurteilung deckte sich nahezu mit meiner Einschätzung. Leider fehlten am Richttag auch noch neun Tiere. Vier davon waren versehentlich beim Einliefern nicht ausgepackt worden. Am Samstag wurde dieses entdeckt und einen Tag später sahen sie aber schon wieder ganz gut aus. Altorientalen sind doch ganz schön vital!

Die Tiere möchte ich nicht weiter besprechen. Ich denke aber von den Binden und den Köpfen her hätten sie in Leipzig gut mithalten können. Vor allen Dingen die braunfahl-weißbindige junge 0,1 war in diesen Punkten richtungsweisend. Sie erhielt V97 Punkte und das NTC Band. Auch die beiden hv96-Tiere: 1,0 blau mit weißen Binden (Flügelschild sauberer) und 0,1 khakifahl mit weißen Binden (in der Rückenlinie abfallender) konnten gut gefallen.

Auf Blau - und Braunfahl mit weißen Binden konnte ich den Titel Deutscher Meister erringen. Viel lieber wäre ich natürlich in Leipzig dabei gewesen. Aber eines geht nur: Richten oder Ausstellen.

Übrigens wurde auf der Europaschau in Leipzig ein eigenständiger SV gegründet dem 36 Mitglieder angehören. Falls Sie gerne mehr über ihn und die liebenswerten Altorientalischen Mövchen wissen möchten, lade ich Sie auf unsere wunderschöne Homepage ein.

 

Rainer Dammers