Rassegeschichte

Orientalische Mövchen, Satinetten, geschuppt,  anno 1887 (Richter in Prütz)
Orientalische Mövchen, Satinetten, geschuppt, anno 1887 (Richter in Prütz)

Kleinasien gilt als jeher als Wiege der Taubenzucht. In Anatolien herrschte nach dem Jahr 1299 das Geschlecht der Osmanen. 

Orientalisches Mövchen, Satinette, geschuppt,  anno 1892 (Ludlow)
Orientalisches Mövchen, Satinette, geschuppt, anno 1892 (Ludlow)

In den Palästen der  herrschenden Klasse wurden zu dieser Zeit traditionell Tauben gehalten. In einigen Städten entstanden regelrechte Zuchtzentren. Eine dieser Städte war Manisa. In dieser Stadt wurden ab dem 14. Jahrhundert die osmanischen Prinzen ausgebildet und auf ihre Herrscherrolle vorbereitet.

Orientalisches Mövchen, Satinette, blaugeschuppt, anno 1919 (F. Machin;  Gems of the orient)
Orientalisches Mövchen, Satinette, blaugeschuppt, anno 1919 (F. Machin; Gems of the orient)

Diese Prinzen gaben Kreuzungsversuche in Auftrag, um eine besondere Taubenrasse zu schaffen. Diese Tauben sollten sich grundlegend von der Felsentaube und den bisher vorhanden Rassen unterscheiden. So entstanden in herrschaftlichem Auftrag Satinetten. Weiße Tauben mit farbigen Schwänzen und Flügelschildern (Anatolierscheckung), Schwanzspiegeln und weißen Schwingen, spitzkappig und glattköpfig, mit Bestrümpfung, Jabot und mittellangen Schnäbeln. 

Orientalisches Mövchen, Satinette, blau m.w.Bd., anno 1919 (F. Machin;  Gems of the orient)
Orientalisches Mövchen, Satinette, blau m.w.Bd., anno 1919 (F. Machin; Gems of the orient)

Wahrscheinlich waren es vor allem blau-weißbindige und blaugeschuppte Tiere. Dem gemeinen Volk war unter Strafe verboten solche Tauben zu halten. Die Zucht dieser Tauben war ein Privileg der Fürstenfamilien. Sie waren die „Hünkari güvercin“ – die Tauben des Sultan. Diese Tauben waren wertvolle Geschenke für besondere Gäste der Sultane und wurden über die Generationen weitervererbt.

 

Orientalisches Mövchen, Satinette, schwarzgesäumt, anno 1919 (F. Machin;  Gems of the orient)
Orientalisches Mövchen, Satinette, schwarzgesäumt, anno 1919 (F. Machin; Gems of the orient)

Als Anfang des 19. Jahrhunderts das osmanische Reich nach und nach westlicher wurde, lockerte sich das Zuchtverbot für Nichtadlige. Immer mehr „kleine“ Leute begannen  diese Orientalischen Mövchen zu züchten. Viele neue Farben entstanden, gesäumte Tiere und auch Varianten ohne Anatolierscheckung, die Blondinetten.

Orientalisches Mövchen, Blondinette, blaugeschuppt, anno 1919 (F. Machin;  Gems of the orient)
Orientalisches Mövchen, Blondinette, blaugeschuppt, anno 1919 (F. Machin; Gems of the orient)

Diese orientalischen Mövchen waren in ihrer Heimat nie wirklich häufig. Dennoch wurden sie ab dem 19. Jahrhundert über den Seeweg nach England und Westeuropa und auch nach Amerika exportiert. Auf dem Landweg verbreiteten Sie sich über den Balkan Richtung Österreich-Ungarn. Auch nach dem Untergang des osmanischen Reiches im Jahr 1923 wurden immer wieder Orientalische Mövchen exportiert. Diese Tauben waren mittelschnäblige, relativ kleine Satinetten und Blondinetten. 

Nun begann in Westeuropa und Amerika eine Weiterentwicklung dieser Taubenrasse. Die Tiere wurden größer und kurzschnäbliger, ihr Kopfprofil wurde völlig verändert. Es entstand die moderne Form der Orientalischen Mövchen. 

Im Vergleich: links Altorientalisches Mövchen , rechts modernes Orientalisches Mövchen
Im Vergleich: links Altorientalisches Mövchen , rechts modernes Orientalisches Mövchen

Einige dieser modernen Orientalen wurden sogar in die inzwischen eigenständige Türkei re-importiert. Durch den eisernen Vorhang während des kalten Krieges ist diese Auseinanderentwicklung der Orientalischen Mövchen auch noch gefördert worden. Während in Westeuropa und Nordamerika ein kurzschnäbliges Mövchen mit Notwendigkeit zur Ammenaufzucht entstand, erhielten sich die Züchter auf dem Balkan (va. Bulgarien, Rumänien, Jugoslawien, Griechenland) ihre ursprünglichen, selbstfütternden, flugfreudigen orientalischen Mövchen. 

Im Kopfvergleich: links Altorientalisches Mövchen , rechts modernes Orientalisches Mövchen
Im Kopfvergleich: links Altorientalisches Mövchen , rechts modernes Orientalisches Mövchen

Von hier aus erreichten die, nun als Altorientalische Mövchen anzusprechenden Tauben mit Emigranten die Vereinigten Staaten, Kanada, aber auch Österreich, Deutschland, Holland und Belgien.

Logo des Altorientalenclubs der USA
Logo des Altorientalenclubs der USA

In den Vereinigten Staaten hielten die Auswanderer vom Balkan ihrer Rasse die Treue und erhielten ihre "Classic Old Frills" als Reinzucht. Sie verbreiteten sich recht schnell in Nordamerika. In der Neuzeit wurden  die COF´s, wie sie liebevoll genannt werden, vom "Rare Breeds Club" betreut, bis 2003 ein eigenständiger "National Classic Old Frill" Club" gegründet wurde.

Poster des amerikanischen AOM-Clubs (NCOFC)
Poster des amerikanischen AOM-Clubs (NCOFC)
erste Importtiere in Deutschland
erste Importtiere in Deutschland

Im deutschsprachigen Raum führten die Altorientalen lange Zeit ein Schattendasein. Wenn sie ausgestellt worden erhielten sie (berechtigterweise) na. bzw. oB. da sie sich ja deutlich von den anerkannten Orientalischen Mövchen unterschieden. Dass es sich bei diesen Tieren um eine eigenständige bzw. um die ursprüngliche Rasse handelt wurde den Zuchtfreunden Rainer Dammers und Andreas Boisits klar und so begannen die Bemühungen diese Rasse auch als solche anerkennen zu lassen. Tiere aus dem Balkan fanden Ihren Weg nach Deutschland.

Rumänische Altorientalen
Rumänische Altorientalen

Anlässlich der VDT-Schau 2006 in Nürnberg wurde die Rasse erstmals der breiten Öffentlichkeit vorgestellt und um eine Anerkennung gekämpft. Am 8. Mai 2009 wurde zur BZA Sitzung in Lohfelden die Anerkennung der Altorientalen beschlossen. Ab nun gab es kein Halten mehr. Die Rasse erfuhr einen regelrechten Boom. Über 60 neue Züchter entschieden sich bis 2012 für diese Rasse, darunter auch Zuchtfreunde aus den Niederlanden, Frankreich, Österreich und der Schweiz. Diesen Siegeszug krönte die Gründung dieses Sondervereines am 8.12.2012.

Dr. Martin Linde